Beobachtungen aus der Corona-Zeit
Die Themen Gleichberechtigung und Gleichbehandlung vor Corona entsprechen nicht den beiden Themen nach Corona. Die Krise hat etwas bewirkt: Sie hat wie ein Brennglas jene Aspekte verstärkt, die zuvor schon auf wackeligen Beinen standen oder nicht funktioniert haben. War die Verteilung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern vor der Corona-Krise ungleich verteilt, so ist die Aufteilung in und nach der Krise noch traditioneller geworden. Das legen Befragung der Universität Wien im Corona-Panel von Mitte Juni 2020 nahe: Besonders ausgeprägt zeigte sich das geschlechtsspezifische Ungleichgewicht von bezahlter und unbezahlter Arbeit in Familien mit Kindern im Kleinkind- und Vorschulalter (0-5 Jahre). Obwohl die Gesamtarbeitszeit unter Müttern und Vätern ähnlich hoch war, haben Mütter einen größeren Teil ihrer Zeit für unbezahlte Arbeit verwendet als Männer. Bei Schulkindern übernahmen Frauen – egal ob in Teilzeit oder Vollzeit arbeitend – einen großen Teil der Haushaltsarbeit und des Home-Schoolings. Bei Vollzeit erwerbstätigen Müttern führte diese Übernahme an Zusatzaufgaben zu einer höheren Gesamtarbeitszeit und damit stärkeren Belastung als in Vollzeit erwerbstätigen Vätern.
Die Ökonomin Katharina Mader der Wirtschaftsuniversität Wien führt derzeit Befragungen zum Anteil der unbezahlten Arbeit und zur Belastung während der Krisenzeit durch. Ihre erste Ableitung lautet, dass Väter zwar durch die Zeit des Home-Office mehr Einblick in die unbezahlte Arbeit erhalten und den Aufwand dieser Tätigkeiten neu einschätzen lernen, dass gleichzeitig aber klassische Rollenbilder sich verstärken.
In Deutschland ist bereits von einer Retraditionalisierung die Rede. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung an der Humboldt Universität Berlin beobachtet die Rückkehr zu alten Rollenmustern in Familien: „Der Mann geht arbeiten oder zieht sich ins Homeoffice zurück, die Frau kümmert sich um Kinder und Haushalt und ist damit urplötzlich zurück an den Herd katapultiert.“
Um diese und mehr Aspekte wird es bei unserem Salon-Frühstück Breite Gasse am 9. Oktober 2020 gehen: Welche Beobachtungen haben Sie gemacht? Welche „Aushandlungs-Prozesse“ fanden in Ihrem Leben statt? Wie haben Sie das Leben in den eigenen vier Wänden mit Arbeit, Haushalt, Partnerschaft und mit Kinderbetreuung neu gemanagt? Wir sehen uns die Zeit vor Corona mit zwei jungen Wissenschafterinnen an, die über Coping-Strategien forschten. Und wir sehen auf die Zeit nach Corona – und wollen am Thema „draufbleiben“. Denn meist „passieren“ neuer Abläufe und Zuständigkeiten aus der Krise heraus ganz einfach und manifestiert sich unausgesprochen. Was uns die Krise nämlich zeigt: Konstrukte, die rasch (in der Not) entstanden sind, können sich dauerhaft halten. Damit wir nicht in die Retro-Zeit zurückkatapultiert werden, dazu braucht es eine gute gemeinsame Beobachtung und aktive Handlungen.
Melden Sie sich an: WEBINAR zum Thema „Vereinbarkeit in Zeiten von Corona“. Die Veranstaltung führen wir im Rahmen von DIVÖRSITY durch.