Je unsicherer die Zeiten, desto wichtiger ist die unmittelbare Führungskraft. Sie gibt Vertrauen, Stabilität, Richtung und Orientierung. Damit lastet auf dieser Ebene ein enormer Druck: Wie können all diese Erwartungen erfüllt werden und wie funktioniert dieses „sichere Führen“ eigentlich?
Führen in unsicheren Zeiten bedeutet, sich Zeit zu nehmen. Zeit für das Team, den und die einzelne/n Mitarbeiter*in. Zeit in die Vor- und Nachbereitung von Gesprächen zu stecken und Zeit für sich selbst. Sammeln Sie alle Zeit, die Sie in (noch mehr) Reportings und Kontrolle stecken würden und polen Sie diese um in Zeit fürs Zuhören und gemeinsame Gespräche. Denn Reportings und Kontrolle geben nur vermeintlich das Gefühl, Sicherheit zu erzeugen. Ein starkes Teamgefüge, das auf Vertrauen basiert, ist ein viel stabileres Fundament.
Meine erste Empfehlung an Führungskräfte: Reduzieren Sie verunsichernde Reize und akzeptieren Sie, dass Unsicherheit (bei Ihnen) und im Team herrscht. Das nimmt Druck weg, perfekt sein zu müssen und auf alles in der Sekunde eine Antwort zu haben. Verunsichernde Reize können sein: neue oder mehr Formulare, abgesagte Jour Fixes, veränderte Bewertungen, geschlossene Türen – also alles, was „anders“ ist (aber eigentlich nicht notwendigerweise anders sein müsste).
Auch Ihre Führungshaltung ist entscheidend: Akzeptieren Sie, dass bei sich und Ihren Leuten in der Unsicherheit die Emotionsdecke dünner ist und – so die zweite Empfehlung – streichen Sie das Wort „aber“ getrost aus Ihrem Vokabular. Ein „Aber“ in der Haltung macht Verständnis zunichte – im Sinne von „Ich verstehe, dass mein Team nun mehr Zeit braucht, aber ich habe sie nicht.“ Oder „Ich kann den Bedarf nach Sicherheit nachvollziehen, aber mir hilft auch keiner.“ Das kleine Wort „aber“ ist eine Killerphrase. Eine Giftschleuder. Denn der gesamte Inhalt des Satzes vor dem „aber“ wird negiert. Versuchen Sie daher klare Aussagen zu treffen und formulieren Sie OHNE wenn und aber. So können Sie auch Fragen zur gemeinsamen Reflexion mit Ihrem Team stellen. Nehmen wir nochmals den ersten obigen „aber-Satz“, den Sie an Ihr Team folgendermaßen richten könnten: „Ich merke, Ihr braucht Zeit mit mir für Abstimmungen und Koordination. Meine eigenes Zeitbudget ist fremdbestimmt und ich kann derzeit nicht mehr als eine/zwei/drei Stunde/n pro Woche aufbringen. Wie schaffen wir gemeinsam eine für alle passende Abstimmung?“ Während im ersten Fall jede Diskussion zunichte gemacht wurde, lädt die zweite Erklärung zum gemeinsamen Lösungsfinden ein.
Gerade virtuelle Führung steht vor neuen Herausforderungen. Hier mein dritter Rat: Verwechseln Sie Koordination nicht mit Kontrolle. Virtuell führen funktioniert nur mit einem höheren Aufwand an interner Kommunikation und Koordination. Denn Missverständnisse entstehen vermehrt, wenn sich Mitarbeitende nicht in informelle Räume zurückziehen können oder rasche Abstimmungen „zwischen Tür und Angel“ wegfallen. Der Grad zwischen Koordination und Kontrolle ist ein schmaler.